Heute wollen wir eure Kenntnisse in altgriechisch mal etwas auffrischen. Ihr seht auf den Bildern verschiedene Kälber ohne Schwanz. Das nennt man dann Schwanzlosigkeit, wenn man schlau klingen möchte sagt man dazu Anurie. Jetzt kommen natürlich die Klugscheißer um die Ecke und sagen „das ist doch eine verminderte Harnproduktion“. Ihr habt ja so recht! Wir sind aber noch größere Klugscheißer als ihr, denn wir haben die Weisheit mit Löffeln gefressen!
Also altgriechisch für Harn ist οὖρα [oúra], wohingegen οὐρά [ourá] Schwanz bedeutet. Anurie ist also sowohl verminderte Harnproduktion als auch Schwanzlosigkeit. Schwanz haben wir im Singular geschrieben. Harn steht im Plural. Der Singular wäre oûron. Haben wir absichtlich so gemacht, damit sich die Wörter ähnlicher sehen. Es wurde sowohl in der Antike, als auch heute Urin fast ausschließlich im Plural verwendet.
Das wort βραχύς [brachýs], ist auf deutsch kurz. Somit ist Brachyurie die Kurzschwanzigkeit. Ein kurzer Schwanz kommt beim Rind seltener vor, meist fehlt er ganz.
Diese Missbildung ist erblich (um genau zu sein polygen autosomal rezessiv mit Schwellenwert). Was bedeutet, dass nicht jedem Kalb mit der Anlage dazu auch der Schwanz fehlt. Dieser Genfehler ist bisher von gefleckten Rinderrassen (Holstein Friesian, Rotbunte, Fleckvieh) bekannt. Mit solchen Rindern sollte man natürlich nicht züchten, aber ansonsten sind sie in ihrer Lebensfähigkeit nicht eingeschränkt. Sie können keine Fliegen mit ihrem Schwanz vertreiben und eine Blutprobe aus der Schwanzvene ist nicht möglich. Kann man sich denken. Manchmal gibt es allerdings zusätzliche Missbildungen, die die Lebensqualität einschränken oder sich nicht mit dem Leben vereinbaren lassen. Mögliche zusätzliche Missbildungen sind beispielsweise Kreuzbeindeformationen, Hydrocephalus, Anophthalmie oder Atresia ani et recti.