Heute geht es um Kälberflechte. Dabei handelt es sich um eine Pilzerkrankung die durch Trichophyton verrucosum ausgelöst wird, daher wird diese Erkrankung auch Trichophytie genannt. Weitere Namen für diese Erkrankung sind Glatzflechte und Maulgrind.
Flechte kommt hauptsächlich beim Kalb und Jungrinder vor. Es bilden sich runde haarlose Stellen, vornehmlich an Kopf und Hals. Es kann aber auch der ganze Körper betroffen sein. Im fortgeschrittenen Stadium können die Stellen krustig sein. Im schlimmsten Falle kommt es zu einer Sekundärinfektion mit Bakterien, dann ist es eitrig und nässend.
Flechte tritt häufiger im Stall als auf der Weide auf. Im Winterhalbjahr bei feuchter Witterung ist sie häufiger als im Sommer. Ist die Erkrankung bei einem Tier ausgebrochen, so stecken sich andere Rinder häufig an. Die Übertragung kann durch direkten Kontakt, aber auch über Stallgerätschaften und Fliegen erfolgen. Selbst wenn in einem Stall jahrelang keine Flechte aufgetreten ist, so können die Sporen des Pilzes sich in trockenem Material halten und Rinder infizieren.
Meistens erkranken Kälber mit geschwächter Abwehr, zum Beispiel aufgrund von Stress (z.B. durch Überbelegung), Atemwegserkrankungen, schlechtem Ernährungszustand, Vitamin A-Mangel oder Tiere mit Scheuerstellen.
Die Diagnose kann man meist anhand des klinischen Bildes sicher stellen. Um sicher zu gehen könnte man am Übergang der kranken zur gesunden Haut Haare auszupfen und unter Zugabe von Kalilauge unter dem Mikroskop untersuchen. Auch eine Pilzkultur ist möglich. Als Differentialdiagnosen kommen vor allem Ektoparasiten, wie Räudemilben, Haarlinge und Läuse in Frage. Oftmals sind diese Parasiten sogar Wegbereiter für eine Flechteinfektion. Auch Zinkmangel kann zu Haarausfall führen. Sogar Pansentrinken ist eine mögliche Ursache für Haarausfall bei Kälbern.
Therapie und Prophylaxe
Man kann mit einem Pilzmedikament die betroffenen Stellen einsprühen. Das funktioniert, wenn der Landwirt gut mitmacht, denn man muss die Sprühbehandlung mit dem Antimykotikum alle 4 Tage wiederholen. Wichtig auch: keine Stelle übersehen/weglassen. Natürlich darf das Medikament auch nicht in die Augen gelangen.
Meistens entscheiden wir uns daher für eine Impfung. Das hat den Vorteil, dass man keine Stelle übersehen kann. Es ist immer sinnvoll den ganzen Stall zu impfen, ansonsten kann der Pilz „weiterwandern“. Die Impfung funktioniert natürlich als Vorbeuge, aber auch als Therapie! Den Fresser von oben haben wir geimpft, auf dem folgenden Bild seht ihr ihn zwei Wochen später. Die Haare wachsen schon wieder nach! Auf dem obrigen Bild sieht man den Impfstoff. Er besteht aus Wasser und lebenden Pilzen in der kleinen Flasche. Die beiden Sachen zusammengemischt seht ihr in der rechten Flache, so kann der Impfstoff verimpft werden.
Neben der Impfung ist eine weitere Prophylaxemaßnahme natürlich Hygiene. Also Kontakte zwischen infizierten und gesunden Kälbern einschränken, regelmäßige Stallreinigung und Desinfektion. Fliegenbekämpfung reduziert Übertragung durch Insekten. Die Ration sollte in Hinblick auf Vitamine kritisch hinterfragt werden. Eine regelmäßige Behandlung der Kälber gegen Ektoparasiten reduziert die Übertragung über Läuse und Räudemilben.
Zoonose
Rektale Untersuchungen beim Rind sind kein Problem, richtig ekelhaft sind Erkrankungen beim Menschen. So wie diese Dermatophytose. Die durch Trichophyton verrucosum ausgelöste Kälberflechte ist auf den Menschen übertragbar. Es handelt sich also um eine Zoonose, eine Krankheit die von Tieren auf den Menschen übertragen werden kann. Besonders häufig betroffen sind Landwirte, Tierärzte und Agrartouristen.
Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt und daher ist diese Pilzerkrankung besonders häufig an den Händen, Unterarmen und (weil wir uns viel in das Gesicht fassen) im Gesicht. Über kontaminierte Gegenstände (Bürsten, Stroh) und Insekten ist ebenfalls möglich.
Es gibt über 20 Trichophyton-Arten. Alle beim Tier vorkommenden Trichophytosen können auf den Menschen übertragen werden. Trichophyton equinum vom Pferd wird selten auf den Menschen übertragen. Trichophyton verrucosum von Rindern (und gelegentlich bei Schaf & Pferd) häufig. Trichophyton mentagrophytes kommt bei Nagetieren und Kaninchen vor, befällt daher gelegentlich Kinder. Kann aber auch von Nutztieren und Zootieren (Affen, Kamele) auf den Menschen übergehen. Trichophyton gallinae löst Hühnerfavus aus. Trichophyton quinckeanum löst Mäusefavus aus, kommt aber auch bei anderen Nagern und Kaninchen vor, außerdem bei Hunden und Katzen. Selbst Trichophyton erinacei vom Igel kann auf den Menschen übertragen werden.
Fun-Fact: Fußpilz und Nagelpilz wird von Trichophyton rubrum ausgelöst und kann vom Menschen auf Tiere übertragen werden.
Die kreisrunden Pilzstellen werden zwei bis vier Wochen nach der Infektion sichtbar. Bei einer „tiefen Trichophytie“ ist meist die Einnahme von Antimykotika über Wochen nötig. Bei oberflächlichen Pilzinfektionen ist eine lokale Behandlung mit Salben meist ausreichend. Unbedingt zum Hautarzt gehen und nicht selbst daran herumdoktern. Den Arzt auf den Kontakt zu pilzerkrankten Tieren aufmerksam machen, denn manchmal kommt er sonst nicht sofort drauf. So häufig scheinen Pilze in der „Normalbevölkerung“ nicht mehr zu sein, abgesehen von Fuß-, Nagel- und Scheidenpilz.
Naturheilkunde
Ein moderner Landwirt lernt meistens von seinen Vorfahren, dass Ilex gegen Flechte hilft. Damit ist die Gewöhnliche Stechpalme (Ilex aquifolim) gemeint. Diese Pflanze ist in Europa heimisch und wird auch oft als Busch im Garten genutzt, denn er ist auch im Winter grün. Die Blätter haben Stacheln, aber nur im unteren Bereich. Je höher der Strauch wird, desto weniger Stacheln hat er. In einer Höhe wo Fressfeinde wie Reh und Rothirsch nicht mehr dran kommen sind die Blätter frei von Stacheln. Die roten Beeren sind giftig.
Im Kälberstall aufgehangen sollen die Blätter beim trocknen ein Fungizid, also einen Wirkstoff gegen Pilze, abgeben. So soll Ilex nicht nur der Flechte vorbeugen, sondern auch heilen. Unserer Erfahrung nach Hilft es als Therapie aber nicht ausreichend. Als Vorbeuge kann dieses Hausmittel nicht schaden.
Wenn der Ilexzweig aber so aussieht wie auf dem letzten Foto, dann kann er nicht mehr helfen. Ganz im Gegenteil, er ist ein Rüchzugsort für Pilzsporen und kann die Flechte auf den nachfolgenden Kälberdurchgang übertragen. Außerdem bedeutet es auch, dass der Landwirt weder ordentlich reinigt, noch desinfiziert. Denn eine vernünftige Reinigung und Desinfektion kann so ein Ilexzweig im Stall nicht überleben.